Virtueller runder Tisch mit Martin Hahn MdL und Gästen aus der Kulturbranche aus dem Bodenseekreis
Abgesagte Auftritte, Aufführungen, Konzerte, Messen und Veranstaltungen, geschlossene Museen, Theater und Clubs – die Kulturszene und die Kreativwirtschaft wird durch den „Lockdown Light“ in diesem Winter erneut hart getroffen. Freischaffende Künstlerinnen und Künstler, Kulturschaffende, Unternehmen, Soloselbständige, Vereine und kulturelle Einrichtungen kämpfen mit den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Mit Oliver Nolte, Leiter und Intendant des privaten Studiotheaters Noltes in Überlingen, Bernd Eiberger vom Kulturhaus Caserne gemeinnützige GmbH in Friedrichshafen und Petra Olschowski, Staatssekretärin Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, diskutierte Martin Hahn MdL, Landtagsabgeordneter der Grünen für den Wahlkreis Bodensee am virtuellen runden Tisch über die Situation der Branche im Bodenseekreis und die Perspektiven.
Ein Ergebnis des Austauschs war, dass längst nicht alle von den Corona-Einschränkungen Betroffene Corona-Hilfen beantragt haben. Kultureinrichtungen haben jeweils eigene ganz unterschiedliche Strategien, um durch die Krise zu kommen. Klar geworden ist am virtuellen runden Tisch aber auch, dass es mit den Hilfen nicht ganz so unkompliziert ist. Nicht alle Berechtigten wissen, welche Unterstützung sie wie beantragen können.
Oliver Nolte ist deswegen froh über neue Einnahmen und spielt in diesem Winter im digitalen Raum. Er ist erleichtert, wieder auf der Bühne zu stehen. Sein Theater wird nicht gestreamt, sondern Besucherinnen und Besucher müssen Tickets kaufen und der Einlass ist im virtuellen Raum genauso geregelt wie in anderen Zeiten in der Spielstätte in Überlingen. „Am schlimmsten ist das Auf- und Zumachen“, berichtete Oliver Nolte. Geld für verkaufte Tickets müsse dann wieder zurückerstattet werden. „Das ist mit viel Arbeit verbunden“, so der Intendant des privaten Studiotheaters. November-Hilfe hat Nolte nicht beantragt. Allerdings profitiert sein Theater von einer städtischen Förderung für Wintertheater.
Auch das Kulturhaus Caserne, das im Sommer einen Landeszuschuss im Zuge des Sonderprogramms „Kultur Sommer 2020“ für die Umsetzung des Projektes „Echte Kultur und Kino im Innenhof“ erhalten hat, verzichtet auf die November-Hilfe. Das Kulturhaus Caserne erhält aber Geld von der Zeppelin Stiftung, wofür Bernd Eiberger in der Krise besonders dankbar ist. Beim Bundesprogramm „Neustart Kultur“ ging er leer aus. Um eine Lüftungsanlage einzubauen, müsste die Caserne rund 100.000 Euro investieren. Hier sollte der Bund noch einmal nachlegen, wünscht sich der Friedrichshafener. „Im Sommer sind wir so über die Runden gekommen“, sagte Bernd Eiberger.
Schwierig ist die Situation von Tanzclub und Gastro in der Caserne. Beide müssten die November-Hilfe, die 75 Prozent des November-Umsatzes entsprechen soll, beantragen, um „nicht komplett gegen die Wand zu fahren“. Mit einer digitalen Plattform experimentiert das Kulturhaus nicht. Künstler wie Uli Böttcher oder Bernd Kohlhepp hätten signalisiert, dass digitale die live Auftritte nicht ersetzen könnten. „Sie leben auch vom Publikum“, so Bernd Eiberger.
In einer schwierigen Lage ist auch eine Töpferin, die ihre Kunst normalerweise auf Märkten verkauft. Kunsthandwerker haben es noch schwerer, an Förderung zu kommen, sagte Petra Olschowski. Damit sich Kulturschaffende besser zurecht finden, hat das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst eine Telefon-Hotline eingerichtet. Darauf wies Petra Olschowski hin. Unter der Hotline 0711 90715413 sind von Montag bis Freitag von 10-12 Uhr und von 14-16 Uhr Ansprechpartner für einen Erstkontakt erreichbar. Die Anträge für die November-Hilfe können Kulturschaffende dann über die bundeseinheitliche IT-Plattform der Überbrückungshilfe (www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de) stellen, sobald das Formular online ist. Den Antrag stellen muss aber ein Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer. Die Auszahlung soll über die Überbrückungshilfe-Plattform durch die Länder erfolgen. Nur Soloselbständige, die nicht mehr als 5.000 Euro Förderung beantragen, benötigen keinen Steuerberater.
Einig waren sich alle am virtuellen runden Tisch darüber, dass die Gesellschaft Kunst und Kultur gerade in schwierigen Zeiten braucht. Denn Kunst und Kultur sind, wie es Petra Olschowski am virtuellen runden Tisch formuliert hat, „gesellschaftsrelevant“. Dafür bekam sie viel Zustimmung auch von weiteren Gästen über den Chat. Kunst und Kultur beeinflussen unser Miteinander, wie wir uns begegnen und den Diskurs. Oliver Nolte sagte: „Ohne Kultur gibt’s keine Kultur.“ Bernd Eiberger bemängelte, dass die Kultur keine so große Lobby wie die Autoindustrie habe. Die Staatssekretärin erklärte, es sei ein Fehler der Bundesregierung gewesen, Kultur der Unterhaltung zuzuordnen. Sie sagte, die Kulturlandschaft in Baden-Württemberg sei einzigartig. „Es ist eine Herausforderung, diese Vielfalt durch die Krise zu bringen.“ Das Land habe bis zu 200 Millionen Euro zusätzlich dafür zur Verfügung gestellt. Für Museen seien 20 neue Stellen geschaffen worden, um die Digitalisierung voran zu bringen. Sie wies auch auf den von ihr im Juni 2018 gestarteten Prozess „Dialog | Kulturpolitik für die Zukunft“ hin, bei dem das Ministerium Kulturschaffende und externe Expertinnen und Experten in einem Beteiligungs- und Dialogprozess zusammenbrachte Insgesamt haben sich um die 1.250 Personen an den Veranstaltungen in ganz Baden-Württemberg beteiligt, um über zentrale kulturpolitische Fragestellungen zu diskutieren. In einer gerade erschienen Publikation werden die Ergebnisse des zweijährigen Dialogprozesses vorgestellt.n Martin Hahn forderte, der Kultur die größt mögliche Wertschätzung entgegenzubringen.