Die Grüne Kreistagsfraktion stellt in Frage, ob der Beschlussvorschlag zum Flughafen Friedrichshafen, über den der Kreistag in dieser Woche abgestimmt hat, rechtmäßig gewesen ist. Die Fraktion bittet das Regierungspräsidium Tübingen als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde um Überprüfung. Die Grünen im Kreistag des Bodenseekreises begründet ihre Zweifel und ihr Vorgehen damit, dass in Beschlussvorschlägen keine Bedingungen formuliert sein dürfen. Genau das ist aber in der Beschlussvorlage zum Tagesordnungspunkt 4 mit dem Titel: „Flughafen Friedrichshafen GmbH (FFG): Ergebnisse des Gutachtens zur FFG durch die Unternehmensberatung Roland Berger zur Überprüfung der strategischen Handlungsoption und Darstellen des Finanzbedarfs, der Finanzierungsmöglichkeiten, – wege und -maßnahmen“ der Fall gewesen.
In seiner Sitzung am Mittwoch dieser Woche (7.Oktober) hatte der Kreistag über die Beschlussvorlage zum Flughafen abgestimmt und mehrheitlich gegen die Stimmen von Linken und Grünen sowie eines Mitglieds der Fraktion der Freien Wähler die weitere finanzielle Unterstützung des Flughafens beschlossen. Dieser Beschluss wäre, wenn das Regierungspräsidium zum selben Schluss kommt, wie die Kreistagsfraktion der Grünen, ungültig.
In der Begründung der Grünen Kreistagsfraktion heißt es wörtlich: Beschlüsse sind grundsätzlich bedingungsfeindlich; sie müssen bestimmt und für den Rat überschaubar sein. Dies ist vorliegend nach Ansicht der Grünen nicht der Fall: So enthält der 4-seitige Beschlussvorschlag an mehreren Stellen beispielsweise Vorbehalte, Bedingungen, die noch eintreten müssen und ist damit unbestimmt in der Höhe des tatsächlichen Zuschussbedarfes, den der Kreis – und die Stadt Friedrichshafen – aktuell leisten sollen und auch für die Zukunft leisten müssen.
Weiter argumentieren die Grünen im Kreistag, dass die Verwaltungen von Stadt, Kreis und FFG vom Kreistag beziehungsweise vom Gemeinderat der Stadt Friedrichshafen beauftragt werden, Verhandlungen zu führen, deren Ergebnis die Zuschusshöhe erst bestimmt. Eckdaten des Darlehens müssen noch ausgehandelt oder Umstrukturierungskosten ermittelt werden. Die Zuordnung förderungsfähiger Investitionen (Corona, Feuerwehr, Flugsicherung) sind noch unklar und damit auch die Höhe des Finanzbedarfs. Fraglich bleibt auch zum Beschlusszeitpunkt, ob der zu gewährende Zuschuss an den Flughafen EU-beihilferechtlich zulässig ist, da die Klärung noch aussteht. Selbst die Beraterkosten zur beihilferechtlichen Klärung im Notifizierungsverfahren sind in der Höhe lediglich mit dem Zusatz „voraussichtlich“ prognostiziert.
Die Grüne Kreistagsfraktion kommt zu dem Schluss, dass damit die Höhe des tatsächlichen Zuschussbedarfes für die FFG überhaupt nicht feststeht. Unklar oder möglicherweise nur unausgesprochen bleibt auch, ob der gewährte Zuschuss im Falle der beihilferechtlichen Versagung dem Kreis und der Stadt zurückerstattet wird.
Hinzu kommt, dass der Zuschussbedarf auf der Basis vom Gutachten Roland Berger errechnet wurde, der nicht auf Fakten, sondern auf unsicheren Zukunftsprognosen hinsichtlich Passagierzahlen und anderen Variablen wie beispielsweise die Standorttreue von Fluggesellschaften beruhen. Vollkommen unklar ist zum Beispiel, ob die Lufthansa verlässlicher Partner des Flughafens Friedrichshafen bleibt – wie es das Berger Gutachten zugrunde legt. Aktuell hat die Lufthansa die Verbindung von Frankfurt nach Friedrichshafen wieder gekappt. Mindestens 150 Flugzeuge der einstmals 760 Jets umfassenden Konzernflotte werden, wie die Airline bereits angekündigt hat, dauerhaft nicht mehr abheben. In dieser Woche hat die Lufthansa zudem ihren Flugschülern dringend empfohlen, sich „beruflich neu zu orientieren“.
Die harmlose Überschrift des Tagesordnungspunkts suggeriert zudem nach Einschätzung der Grünen Fraktion, dass eine Vorstellung des Gutachtens und nicht die Entscheidung über Millionen Zuschüsse Inhalt der Beratungen sei.
Hintergrund:
Die Grüne Fraktion im Kreistag des Bodenseekreises hatte bei der Kreistagssitzung am Mittwoch, 7. Oktober, dafür gestimmt, dass der Bodenseekreis als Gesellschafter keine weiteren Zahlungen für den Erhalt des Bodensee-Airports Friedrichshafen mehr leistet. Die Fraktion hat damit der Empfehlung der Unternehmensberatung Roland Berger widersprochen. Die Unternehmensberater sprechen sich für die Fortführung des Flughafens aus.
Auch weil Fliegen besonders energieintensiv und klimaschädlich ist, sehen die Grünen den Flugbetrieb in Friedrichshafen zunehmend kritisch. Angesichts der Klimakrise ist es nach Überzeugung der Grünen höchste Zeit, Kurzstreckenflüge so schnell wie möglich überflüssig zu machen. Statt auf Flugverbindungen wollen sie in der Bodensee Region auf eine weitere Verbesserung des Bahnangebots setzen. Sie werten es als Fehlentscheidung, den Flughafen weiter mit öffentlichem Geld am Leben zu erhalten.
Der Gemeinderat der Stadt Friedrichshafen wird sich am Mittwoch, 19. Oktober, mit dem Flughafen befassen.